Sonderfonds Östliches Europa
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Begrüßungsrede Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Roth

Verleihung des Georg R. Schroubek Dissertationspreises 2013

am 3. Mai 2013 im Internationalen Begegnungszentrum der LMU München

Begrüßung durch den Vorsitzenden des Schroubek-Fonds Östliches Europa,

Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Roth

Hohe Festversammlung!

Das Kuratorium des von Georg Schroubek und seiner Frau Barbara begründeten “Schroubek-Fonds Östliches Europa” zeichnet heute zum dritten Mal herausragende Dissertationen aus, die sich aus kulturwissenschaftlicher oder historischer Perspektive mit dem östlichen Europa befassen. Hatten wir im Jahre 2009 die Volkskundlerin Marketa Spiritova für ihre Arbeit über “Alltag ‘am Rande des Dissens’: Strategien der Alltagsbewältigung tschechischer Intellektueller zur Zeit der ‘Normalisierung’ (1968-1989)” und 2011 die Historikerin Ines Koeltzsch für die Arbeit über “Geteilte Kulturen. Eine Geschichte der tschechisch-jüdisch-deutschen Beziehungen in Prag (1918-1938)” geehrt, so zeichnen wir in diesem Jahr gleich zwei herausragende Dissertationen aus: die Arbeit der Musikwissenschaftlerin Inna Klause über “Musik und Musiker in den sowjetischen Zwangsarbeitslagern der 1920er- bis 1950er-Jahre” sowie die Arbeit der Historikerin Martina Niedhammer über das Thema “Nur eine Geld-Emancipation? Loyalitäten und Lebenswelten des Prager jüdischen Großbürgertums 1800-1867”. Diese Festveranstaltung nehmen wir zum Anlass, auch den bereits vor einem Jahr an Frau Anja Decker verliehenen Schroubek-Preis für Magisterarbeiten für ihre Arbeit über “Kohoutov: Annäherung an eine Gemeinde im Aufbruch. Eine ethnographische Fallstudie in Ostböhmen vor dem Hintergrund ländlicher Transformationsprozesse seit 1989” öffentlich zu überreichen.

Sie haben, meine Damen und Herren, sicher bemerkt, dass von den fünf genannten Abschlussarbeiten vier sich mit dem Nachbarland Tschechien, von diesen wiederum drei sich mit Prag befassen. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass das Kuratorium diese Arbeiten aus einer jeweils großen Zahl von Vorschlägen als die besten ansah, zum andern aber vielleicht auch der Tatsache, das der Stifter des Fonds, Dr. Georg R. Schroubek, ein Prager Deutscher war. Zeit seines Lebens blieb er dieser Stadt verbunden als dem Ort seiner Kindheit und Jugend, in der er Erfahrungen machen konnte vom Zusammenleben von Tschechen, Deutschen und Juden, Erfahrungen, die sein ganzes weiteres Leben und wissenschaftliches Tun prägten.

Dem Kuratorium des Schroubek-Fonds lagen auch dieses Mal sehr viele Vorschläge für den Dissertationspreis vor. Die Mehrheit der Dissertationen war zudem von den Gutachtern mit der Höchstnote “summa cum laude” bewertet worden, so dass das Kuratorium vor nicht geringen Problemen stand, die richtige Wahl zu treffen. Nach langen Diskussionen und eingedenk der von Georg Schroubek formulierten Ziele entschied sich das Kuratorium dafür, den Preis in diesem Jahr zu teilen und ihn für zwei herausragende Dissertationen zu verleihen – an die Historikerin Martina Niedhammer und die Musikwissenschaftlerin Inna Klause.

Inna Klause hat in dankenswerter Weise dazu beigetragen, dem heutigen Abend durch die Auswahl von Musikstücken der in ihrer Dissertation behandelten Musiker eine ganz besondere Note zu geben; ich danke Frau von Heimendahl und ihrer Kollegin Elitza Chivarova-Posleitner, dass sie sich bereit erklärt haben, die Stücke für den heutigen Abend einzuüben. Danken möchte ich auch den Laudatores sowie Prof. Thomas Bohn, der sich als “Historiker mit volkskundlichen Neigungen” dazu bereit erklärt hat, den Festvortrag zu halten, in dem es auch um die Beziehung zwischen Ost und West in Europa geht.

Georg Schroubek ging es in seinem wissenschaftlichen Tun um eben diese Beziehung und das Zusammenleben in Europa, um Stereotypen und Vorurteile sowie deren Überwindung. Eine wesentliche Grundlage dafür war für ihn das Wissen übereinander. Seine Erfahrung war, dass die Menschen im Westen sehr wenig wissen über die östliche Hälfte Europas, dass für viele die Welt immer noch an jener Grenze endet, die für Jahrzehnte “West” und “Ost” eisern trennte. Doch auch die Öffnung der Grenzen habe an diesem Unwissen wenig verändert. Unwissen aber bestärke Vorurteile – und so war es für ihn nur konsequent, dass er den 2007 gestifteten Fonds “Östliches Europa. Erkundungen und Annäherungen” ganz in den Dienst der Aufgabe stellte, diesem Mangel an Wissen gezielt entgegenzuwirken.

Das breite Programm des Fonds umfasst daher konsequenterweise die Förderung von Sprachkursen und Workshops, von Studien- und Forschungsaufenthalten, von Dissertationen und Masterarbeiten, von Tagungen und Ausstellungen. Und es umfasst, das ist besonders wichtig, die Verleihung von Preisen für herausragende Abschlussarbeiten, die den von Georg Schroubek definierten Zielen in besonderer Weise entsprechen.

Es ist ein Verdienst von Georg Schroubek, durch den Dissertationspreis zum Nachdenken über unsere gemeinsame europäische Geschichte und Gegenwart beizutragen – ein Nachdenken, das in unseren heutigen Zeiten der Krise besonders wichtig ist. Ihm und seiner Frau, die auf dem Münchner Nordfriedhof ihre gemeinsame Ruhestätte gefunden haben, sei daher ganz besonderer Dank gezollt.