Sonderfonds Östliches Europa
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Lumnije Jusufi: Fachsprache und Handwerk des Maurers in der Region von Debar/Dibra (Forschungsprojekt)

Dr. Lumnije Jusufi (München) Arbeitsbericht München, den 10. November 2012

 

„Fachsprache und Handwerk des Maurers in der Region von Debar/Dibra“

 

Das Kurzprojekt wurde in der Zeit vom Februar bis Oktober 2012 mit einem Feldforschungsaufenthalt in der Region im April und August 2012 durchgeführt. Gefördert wurde das Kurzprojekt vom Schroubek-Fonds Östliches Europa. Die gewonnenen Kenntnisse mündeten in einen längeren wissenschaftlichen Beitrag, der im nächsten Jahr publiziert werden soll.

Der Beitrag untersucht den Wandel des Berufstandes und damit einhergehend auch der albanischen Fachsprache des Maurer-Handwerks im multiethnischen Umfeld der mazedonisch-albanischen Grenzregion Debar/Dibra. Dabei werden folgende Gebiete untersucht: regionale Prämissen des Themas, der Beruf des Maurers bzw. was aus der Sicht der Baubranche darunter zu verstehen ist, die soziale Identität des Maurers in Debar/Dibra über die nationalen Schranken hinaus und der Schwerpunkt des Beitrags – die Untersuchung des Wortschatzes des Maurer-Handwerks unter besonderer Berücksichtigung der mundartlichen Prägung der Region von Dibra/Debar und der Einfluss der mazedonisch-albanischen Staatsgrenze auf diesen Fachjargon. Das Kurzprojekt zielt auf das zweigeteilte Albanisch ab, weil nur hier die Einflüsse der Staatsgrenze untersucht werden können. Die Ergebnisse des Projektes werden kurz hier präsentiert:

1. Die Dibra-Maurer sind seit mindestens 150 Jahren im gesamten Westbalkan bis nach Istanbul hinein berühmt für gutes Maurer-Handwerk. Heute sind ihre Arbeiten aufgrund moderner Baumaterialien auf steinernen Außenmauern beschränkt. Damit wurde der Untergang eines traditionellen Handwerks eingeleitet. Der Sprung in moderne Bauarbeiten ist zwar gelungen, die Beibehaltung der Monopolisierung einiger Maurerfamilien jedoch nicht. Die Beherrschung des Handwerks von der Minderheit der Stadt hat viel dazu beigetragen.

2. Von Außen sind alle Dibraner und die gesamte Region von Debar/Dibra auf beiden Seiten der Grenze (inkl. Golloborda in Albanien) unabhängig von ihrer Sprach- und Religionszugehörigkeit für das Bauhandwerk bekannt, auch die Albaner. Innerhalb der Region ist dieses Handwerk jedoch nur für die muslimischen Mazedonier der Stadt typisch. Kennzeichnend ist, dass alle musl. maz. Maurer des Albanischen mächtig sind. Ältere Generationen beherrschten auch das Türkische. Ob die Dibra-Maurer im Osmanischen Reich in Esnafs organisiert waren, kann nach vielen Recherchen nur vermutet werden. Es konnte jedoch kein Beleg dafür gefunden werden.

3. Die Sprache weist keine Elemente der (einst) herrschenden Hochsprachen (Albanisch, Mazedonisch, Serbisch und Türkisch), die im Laufe der letzten 150 Jahren Dachsprachen dieser Region waren und/oder sind. Ebenfalls hat das Englische, die Sprache der Dibra-Migranten, keinen Einfluss auf die Fachsprache geübt, denn die Dibraner sind größtenteils in die USA und nach Australien ausgewandert.

4. Das Deutsche bildet die sprachliche Haupteinnahmequelle im mazedonischen Teil der Region, und das nicht wegen Migrationen, wie ursprünglich vermutet, sondern weil deutsche Baumaterialien und Messwerte die Baubranche dominieren. Außerdem konnte herausgearbeitet werden, dass die meisten deutschen Fachwörter durch das Slavische (Serbisch und Mazedonisch) in die albanische Fachmundart eingedrungen sind. In Albanien konnte dieser Bereich nur am Rande untersucht werden. Eine ausführlichere Datenerhebung steht noch aus. Anhand der spärlichen Sprachdaten kann vermutet werden, dass dort das Italienische die Hauptaufnahmequelle bildet, da die Baumaterialien und Messwerte aus Italien importiert werden.

5. Die empirisch erhobenen Sprachdaten zeigen, dass die Sprache der albanischen Maurer stark durch die alb. Mundart von Dibra geprägt ist. Sie zeigen auch, dass die Sprache nur reich an Substantiven und Adjektiven ist. Fachspezifische Verben oder syntaktische Besonderheiten sind kaum vorhanden. Oft wird ein Vorgang nur beschrieben, statt mit einem Fachwort benannt zu werden. Daher kommt der Beitrag zu dem Schluss, dass wir hier eher einen Fachjargon als eine Fachsprache haben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der albanische Fachjargon der Maurer aus Debar/Dibra eigentlich eine Fachmundart ist, die mehr von der Herkunft der Produkte beeinflusst wurde als von Migrantensprachen oder von herrschenden Dachsprachen. Das Slavische als Mittlersprache in Mazedonien zeigt, dass das Handwerk typisch für (musl.) Mazedonier ist.