Sonderfonds Östliches Europa
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Tim Poessnecker: Modernisierungsdiskurse in der sowjetischen Ukraine am Beispiel des Theaters der Zwischenkriegszeit (Magister-Projekt)

Erfahrungsbericht Magisterarbeit

Tim Poessnecker

Im Rahmen meiner Magisterarbeit im Fach Volkskunde/Europäische Ethnologie bearbeitete ich das Thema „Modernisierungsdiskurse in der sowjetischen Ukraine am Beispiel des Theaters der Zwischenkriegszeit“. Anhand von Presseartikeln aus verschiedenen ukrainischen Tageszeitungen der Jahre 1927 und 1938 ging es mir darum, zu zeigen, welche Vorstellungen von Moderne in der frühen Sowjetunion verbreitet wurden und wie diese mit nationalen Besonderheiten der Ukraine interagierten.

Die Ukraine nimmt in der frühen Phase der Sowjetunion eine in vielerlei Hinsicht besondere Rolle ein: als zweitgrößte Unionsrepublik mit einem spät erwachenden Nationalbewusstsein, befindet sie sich in den 1920er Jahren an der Schnittstelle verschiedenster intellektueller und politischer Bewegungen: während Kiew einerseits zu einem Laboratorium der künstlerischen Moderne wird, kommt es andererseits auf politischer Ebene zu einer anfangs scheinbar liberalen Politik der Ukrainisierung, die aber mit Anfang der dreißiger Jahre im stalinistischen Terror versinkt. Im Kraftfeld dieser konträren Entwicklungen, artikulieren verschiedene Akteure unterschiedliche Vorstellungen von Modernität, die sich an einem Phänomen wie dem Theater exemplarisch studieren lassen. Als öffentliche Institution, durch die sich politische und künstlerische Vorstellungen in besonderer Weise vermitteln ließen, war das ukrainische Theater, mehr als andere Institutionen, ein Spiegelbild von oft konfligierenden Modernevorstellungen und brachte, durch seine stilistische Vielfalt, vom ethnografischen Volksschauspiel, über das proletarische Arbeitertheater bis hin zum avantgardistischen Regietheater Les Kurbas‘, die unterschiedlichsten Auffassungen einer modernen sozialistischen Welt zum Ausdruck. Durch die Analyse der damaligen Presse-Rezeption soll im Rahmen meiner Arbeit gezeigt werden, wie diese Vorstellungen der damaligen Leserschaft vermittelt werden sollten und welche Moderne-Diskurse zur damaligen Zeit geführt wurden.

Durch die großzügige Unterstützung des Schroubek-Fonds wurde es mir möglich, im Herbst 2012 für drei Monate in Kiew zu leben und zu forschen. In dieser Zeit konnte ich die für meine Forschung notwendigen Archiv-Recherchen in der Zeitschriftenabteilung der Kiewer Vernadskyj-Nationalbibliothek durchführen. Neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse diente der Aufenthalt auch dem besseren Kennenlernen der modernen ukrainischen Gesellschaft und der Verbesserung meiner ukrainischen Sprachkenntnisse. Durch die Möglichkeit als Gast bei einer ukrainischen Familie zu wohnen, lernte ich viel über aktuelle ukrainische Lebenswelten und konnte, durch Reisen nach Lwiw und auf die Krim, auch weitere Teile des Landes kennen und verstehen lernen.

Ich danke dem Schroubek-Fonds sehr für die Unterstützung meines Projekts, das ansonsten in keiner Weise möglich gewesen wäre.

Tim Poessnecker, 19.05.2013