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Claudia Lastro: The Gender of Peace: Dimensions of Women’s Peace Activism in Bosnia and Herzegovina (Masterprojekt)

The Gender of Peace: Dimensions of Women’s Peace Activism in Bosnia and Herzegovina

Claudia Laštro

Die Beschäftigung mit diesem Masterarbeitsprojekt war wesentlich durch mein bereits bestehendes Interesse an der Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter in Bosnien-Herzegowina in den öffentlichen und privaten gesellschaftlichen Räumen sowie am dortigen NGO-Sektor und dessen Rolle in der intra-ethnischen Versöhnungsarbeit motiviert.
Ausgangspunkt meiner Arbeit stellte die kulturwissenschaftliche Studie „Innocence and Victimhood“ von Elissa Helms (2013) dar, in welcher die Autorin die Arbeit von Frauen-NGOs in Bosnien-Herzegowina im Friedensprozess untersucht. Elissa Helms formuliert die These, dass Frauen-Organisationen ihren Legitimitätsanspruch durch den Rekurs auf gender-Essentialismen begründen, die auf der Dichotomie zwischen politischen, männlich konnotierten und privaten, weiblich konnotierten Räumen fußen. Dies ist von besonderer Relevanz vor dem Hintergrund des Politikverständnisses der bosnisch-herzegowinischen Nachkriegsgesellschaft, in welcher Politik mit den dort dominierenden, nationalistischen Parteien sowie mit Korruption und Nepotismus assoziiert wird: Das Auftreten als entpolitisierte Akteurinnen ermöglicht Aktivistinnen, so Helms, entsprechend der normativ-ontologischen Kontrastierung in moralische und unmoralische Sphären, moralische Überlegenheit für sich geltend zu machen. Aktivistinnen würden sich also vorwiegend auf die Bearbeitung von ‚Frauen-Themen‘ fokussieren und sich damit von politischer Einflussnahme marginalisieren.
In meiner Masterarbeit testete ich den Erklärungsgehalt der vorgestellten These für eine geringe Fallauswahl von vier Frauen-NGOs. Die Datenerhebung erfolgte im November 2016 durch qualitative Fokusgruppeninterviews. Die Identifizierung essentialistischer Motive unterstützte sozialwissenschaftliche Literatur der zweiten Welle des Feminismus, welche die Rolle von Frauen und Männern in Friedens- und Kriegszeiten als einen Ausdruck inhärenter gender-Qualitäten und -Merkmalen erläutert. Eine alternative Lesart bot feministische Literatur aus der Disziplin der International Relations, welche die Position und die Agentenschaft eines jeden Individuums entsprechend komplexer und ineinandergreifender Variablen analysiert.
Der Befund, dass sich Frauen-NGOs auf gender-Stereotype berufen, konnte bestätigt werden; allerdings war eine essentialistische Lesart in den seltensten Fällen angeracht. Meist waren stereotype Repräsentationen nicht Ausdruck essentialistischer Überzeugungen, sondern im Kontext des Gründungszwecks der Organisationen, des Organisationsumfeldes, des Zugangs zu Ressourcen und Macht und des sozialen Milieus der Akteurinnen zu verstehen. Es sollte zudem beton werden, dass die gender-stereotypen Konnotationen, welche patriarchalisch definierte Rollenzuschreibungen (Witwe, Mutter, etc.) begleiten, ihren Ursprung in gesellschaftlichen Normen und Strukturen haben, welche sich wiederum in realen Konsequenzen im Leben von Frauen niederschlagen. Häufig ist es Frauen nicht möglich, ihr Anliegen in gender-neutrale Begriffe zu fassen.
Ich bedanke mich beim Schroubek Fonds Östliches Europa für die finanzielle Unterstützung meines Masterarbeitsprojekts und meines Forschungsaufenthalts in Bosnien-Herzegowina.