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Martha Stellmacher: Die Sammlung Alt-Prager synagogaler Gesänge von Siegmund Schul (Magisterprojekt)

 

Martha Stellmacher

Die Sammlung Alt-Prager synagogaler Gesänge von Siegmund Schul

Der aus Chemnitz stammende Siegmund Schul (1916-1944) emigrierte 1933 nach Prag und studierte dort Komposition und Dirigieren. In Zusammenarbeit mit dem Arzt Salomon Lieben schrieb er systematisch die Melodien auf, die in den Prager Synagogen im Gottesdienst gesungen wurden. Seine Manuskripte sollten als Grundlage für weitergehende musikwissenschaftliche Forschungen dienen. Schul plante eine genaue Analyse der melodischen und rhythmischen Charakteristika der Prager Gesänge, die er als herausragend und in ihrer Art als weltweit einmalig verstand. Diese Arbeit konnte er jedoch nicht vollenden - Schul wurde 1941 nach Theresienstadt deportiert, wo er 1944 starb.

Im Rahmen meiner Magisterarbeit möchte ich diese Sammlung Alt-Prager synagogaler Gesänge unter Berücksichtigung der erhaltenen Arbeitspapiere und Protokolle sowie weiterer Musikalien und Dokumente über die Musikpflege in der jüdischen Gemeinde Prag analysieren, und dem Fortleben einzelner Melodien im Repertoire der Prager Synagogen nachgehen.

Die Sammlung Altprager synagogaler Gesänge entstand unter der Leitung von Siegmund Schul innerhalb von 6 Jahren in einem intensiven Transkriptions- und Analyseprozess, an dem eine Reihe weiterer Komponisten beteiligt waren. Siegmund Schul und Salomon Lieben sahen das Ziel in der Bewahrung einer verschwindenden uralten Tradition. Dabei ging es ihnen einerseits um die Dokumentation, andererseits um die wissenschaftliche Erforschung des transkribierten Materials durch umfangreiche Analysen der Gesänge. Die Sammlung gibt recht umfassend und auf sehr genaue Weise das traditionelle Repertoire liturgischer Melodien des orthodoxen Prager Umfelds wieder. Die überlieferten Berichte und Analysen Schuls geben darüber hinaus einen Eindruck vom damaligen Verständnis von Ursprung und Entwicklung der Synagogenmusik.

Während meines Aufenthalts in Prag hatte ich die Gelegenheit, regelmäßig die Prager Archive zu besuchen, in denen sich die Hauptquellen meiner Magisterarbeit, mehrere handschriftliche Exemplare der Notensammlung, befinden. Das Material ist so umfangreich, dass im Rahmen der Magisterarbeit eine musikalische Analyse der insgesamt ca. 300 Gesänge nicht zu verwirklichen war. Ich beschränkte mich daher auf eine Bestandsaufnahme und die Rekonstruktion des Entstehungsprozesses vor dem Hintergrund damaliger theoretischer Auseinandersetzungen mit synagogaler Musik und der Prager liturgischen Praxis. Für Sekundärliteratur konnte ich auf die gut ausgestattete Bibliothek des Jüdischen Museums sowie die Nationalbibliothek zurückgreifen. Für meine Arbeit war es sehr hilfreich, vor Ort zu forschen, nicht zuletzt, weil ich dadurch die Gelegenheit hatte, heute praktizierende Kantoren zu konsultieren.