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Snezana Stankovic: Funeralkultur in multiethnischen Gebieten - Deutsche Gräber in der serbischen Vojvodina und ihr Schicksal im 20. und 21. Jahrhundert (Dissertationsprojekt)

Bericht Snezana Stankovic
Dissertationsabschluss-Stipendium

Funeralkultur in multiethnischen Gebieten – Deutsche Gräber in der serbischen Vojvodina und ihr Schicksal im 20. und 21. Jahrhundert

Der Zweite Weltkrieg stellte einen tiefen Bruch im multiethnischen Zusammenleben in der Vojvodina dar. Aufgrund der kollektiven Schuld veränderte sich die Lage der deutschen Minderheit. Viele von ihnen wurden vertrieben oder flüchteten über die Grenze. Die Verbliebenen mussten auf die eigene Sprache und Tradition verzichten. Nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Liberalisierung des Staates fingen übrig gebliebene donaudeutsche ‚Inseln‘ mit der Revitalisierung der traditionellen Kultur, Geschichte und Sprache an. In dem Sinne werden deren Friedhöfe wiederhergestellt, die zuvor zerfallen waren oder zerstört wurden. Diese Wiederbelebung der eigenen Identität heißt zugleich „zurückkehrende Anwesenheit“ , woraus die erste Frage folgte: Auf welche Art und Weise erfolgt die Rückbesinnung der verbliebenen Deutschen sowie der Aussiedler aus Jugoslawien nach 1945 auf die Vergangenheit?

Während der Feldforschungen im serbischen und rumänischen Banat (in den Dörfern Bavanište, Mramorak in Serbien, Stara Moldova in Rumänien und Stadt Kovin in Serbien) konnte man anhand der deutschen Friedhöfe, ihren Wandel im Laufe der Zeit als "Metapher der deutschen und jugoslawischen Geschichte" lesen. Die gesammelten Materialien (40 Stunden Erzählungen und drei Gruppen von Fotos) ordnete ich nach den folgenden Kriterien: zunächst nach der Nationalität, weil es wichtig war, mir zuerst einen Zugang von außen zu Deutschen und ihrer Geschichte zu verschaffen. Zu diesem Zweck habe ich Gespräche mit Ortsansässigen und Siedlern geführt, womit ich leichter und vielschichtiger eine "Insider"-Position erhalten konnte (hierbei führte ich nur mit Serben Interviews; im nächsten Schritt möchte ich "externe" Gespräche mit Rumänen und Muslimen führen).

Im Kontext privater Erzählungen (oral histories) ermöglichten die Denkmäler eine Perspektive "von unten" und eine andere Sicht auf die offizielle Version der Geschichte. Trotz der schmerzhaften Erfahrungen von Lebensumständen im ehemaligen Jugoslawien einerseits und von Vertreibung und Flucht andererseits wird mit der Zeit immer mehr eine Sehnsucht nach (wenigstens besuchsweiser) Rückkehr in die ehemalige Heimat, gemeinsame Welt und zu den eigenen Wurzeln sichtbar. In diesem Licht werden Friedhöfe zu besonderen „Wallfahrtsorten“, wo sich die Verbliebenen und Flüchtlinge/ Auswanderte regelmäßig treffen. Berücksichtigt man auch die sogenannten "Heimatblätter", so erscheint eine Ebene gleichsam institutionalisierter Nostalgie, die gerade an die Enkelgeneration vermittelt wird. Im Rahmen einer "serbisch/ jugoslawisch-deutschen Szene" in Osnabrück gibt es dementsprechend immer noch Deutsche, die, obwohl ursprünglich katholisch, einen engen Kontakt zur serbischen Kirchengemeinde in Osnabrück pflegen.

In meiner Forschung stellt die rumänische Seite einen Vergleichspunkt zum jugoslawischen Kontext dar, wobei die Betrachtungsperspektive umgekehrt ist, die Lebenswelt und Erinnerungskultur/-politik der Rumäniendeutschen in Deutschland anstrebt. Das Gespräch mit Herrn Richard Wagner über seine Kindheit und seine Emigration aus Rumänien brachte ebenso offizielle Betrachtungsweisen hervor und regte eine Suche nach literarischen Zeugnissen zu verlassenen Gräbern an. „Auf den meisten Gräbern liegen Betonplatten. Deckel, sagen die Leute. Als sollte die Ewigkeit vorgetäuscht werden. Aber für wen? Hallo, ihr Engel, grüß Gott, Walachen, wir waren da, wir, die fleißigen Deutschen. Die Schwaben. Wir sind doch alle fort, mit Kind und Kegel, wir hätten auch die Friedhöfe mitnehmen sollen [...]“

Für die Geschichte, die Deutsche in Bezug auf den südosteuropäischen Raum betraf, erscheint noch ein Subthemenfeld wichtig: das Schicksal der unauffindbaren Gräber im Rahmen der Soldatenfriedhöfe (die in Belgrad und Smederevo zu finden sind). Laut einer wertvollen Erinnerungsgeschichte konnten die Familien der Gefallenen nie den Weggang der Nächsten verarbeiten, was unweigerlich die Thematik der nicht abgeschlossenen Trauerarbeit eröffnet. Es stellt sich die Frage, ob ein Zeichen, ein Name, eine Trauerfeier, ein Grab ersetzen und den Tod des verstorbenen Angehörigen fassbarer machen könnte.

Ich hoffe, dass der vorliegende Bericht, Ihnen eine innere Anordnung des Projektes, die sich ergebenen Schlussfolgerungen der vorgenommenen Forschungsschritte sowie das weitere Vorhaben erhellen kann.

Ich verbleibe mit einem tiefen Dank für die Gewährung des Forschungsstipendiums und allen guten Wünschen.

Snežana Stanković