Sonderfonds Östliches Europa
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Sophie Reich: Von der Heimatortsgemeinschaft zu Kirchenburgen-Bastelbögen - Der Heimattourismus in Siebenbürgen als Chance für den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes? (Master-Projekt)

Forschungsaufenthalt in Hermannstadt/Sibiu, Rumänien

Master-Projekt: Von der Heimatortsgemeinschaft zu Kirchenburgen-Bastelbögen – Der Heimattourismus in Siebenbürgen als Chance für den Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes?

Sophie Reich


Im Rahmen meiner Masterarbeit im Fach Kulturanthropologie/Volkskunde an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ging ich der Frage nach, wie der Heimattourismus nach Siebenbürgen und die Bemühungen zur Rettung des kulturellen Erbes in Siebenbürgen sich gegenseitig bedingen und miteinander verwoben sind. Welche Zukunft sehen die verbliebenen Siebenbürger Sachsen für sich bzw. für ihr (architektonisches) Erbe und welche Rolle spielt in diesen Überlegungen der Heimattourismus? Und wie lässt sich nun bei den Ausgewanderten bzw. deren Nachkommen die jetzt noch bestehende Verbindung stabilisieren und zu etwas Neuem umwandeln, das möglicherweise unabhängig von persönlichen Kontakten vor Ort das Interesse an Siebenbürgen und dem Erbe wach hält? Ist das überhaupt möglich?
Diesen Fragen konnte ich durch die finanzielle Unterstützung des Schroubek-Fonds nachgehen und verbrachte dafür im Sommer 2014 zwei Monate in Hermannstadt/Sibiu. In dieser Zeit konnte ich die für meine Forschung notwendigen Experteninterviews führen sowie weitere Quellen und Materialien sammeln, die dem Verlauf meiner Arbeit förderlich waren. Einstiegspunkt meiner Feldforschung bildeten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kultur- und Begegnungszentrums Friedrich Teutsch, die mich in allen Belangen tatkräftig unterstützten und mir den Zugang zu weiteren Personen, Orten oder Veranstaltungen ermöglichten. So bekam ich die Möglichkeit Personen aus den unterschiedlichsten Kreisen kennenzulernen, z.B. Mitarbeiter der evangelischen Kirche in Rumänien, Reiseführer, Rückkehrer, Unternehmer, Austauschlehrer und natürlich Auswanderer auf Heimaturlaub.
So zeigte sich unter anderem, dass durch die ökonomischen Verdienstmöglichkeiten – beispielsweise durch gastronomische Angebote oder dem Vermieten von Unterkünften – die durch den Tourismus, zumindest saisonal, gewonnen werden können, der Erhalt der Kirchenburgen auch für die rumänische Bevölkerung interessant werden könnte. Dass dies nicht für alle Kirchenburgen gleichermaßen gilt, liegt bei über 200 Kirchenburgen auf der Hand. Der Prozess des Auswählens, des Hierarchierens durch die im Kulturtourismus relevanten Instanzen hat bereits begonnen und begleitet die momentane Entwicklung. Neben dem Problem des Erhalts stellt sich noch die Herausvorderung der Vermarktung. Mit dem Projekt Entdecke die Seele Siebenbürgens wird bereits an einer Art Marke, der Kirchenburgenlandschaft, gearbeitet. Durch den Kirchenburgenpass werden die Akteure dieser Landschaft an bestimmte Normen herangeführt und attraktive Angebote für die Besucher geschaffen.
Doch welche Rolle spielt dabei nun der Heimattourismus? Neben dem Wunsch, Verwandte oder Freunde wieder zu sehen – ein Grund, der sich aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr allzulange halten kann – sind Nostalgie und Vermittlung des Erbes weitere Gründe zu reisen. Auf der Seite der Nachkommen besteht auch ein Interesse, das Land ihrer Vorfahren kennen zu lernen und sich für den Erhalt des Kulturerbes einzusetzen. Sie agieren als normale Touristen und haben weniger oft nostalgisch verklärte Bilder oder eigene Erinnerungen, von denen sie enttäuscht werden könnten. Dieser Wandel lässt sich auch in den Heimatortsgemeinschaften teilweise schon erkennen, in denen die Nachkommen, die Bekenntnisgeneration, mehr an der gesamten Kulturlandschaft als am einzelnen Ort interessiert sind. So könnte man die Heimatreisenden als besonders am Erbe interessierte Touristen und damit auf jeden Fall dieses Erbe fördernde Reisende sehen. Von den Verbliebenen wird die Unterstützung aus dem Ausland zwar angenommen, jedoch Wert auf eine Beziehung auf Augenhöhe gelegt.
Neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse diente der Aufenthalt auch dem besseren Kennenlernen der modernen siebenbürgischen Gesellschaft. Durch die Möglichkeit, zeitweise als Gast bei einer siebenbürgisch-sächsischen Familie zu wohnen, lernte ich viel über die aktuellen siebenbürgisch-sächsischen Lebenswelten und konnte durch Reisen auch weitere Teile des Landes kennen lernen.
Ich danke dem Schroubek-Fonds für die finanzielle Unterstützung, ohne die die Realisierung meines Vorhabens nicht möglich gewesen wäre.

Ludwigshafen, 16.04.2015