Sonderfonds Östliches Europa
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Tagung "Roma, Ashkali, Egyptians in former Yogoslavia", Gießen (Januar 2010)

Bericht der Konferenz „Roma, Ashkali und Ägypter in Ex-Jugoslawien“

 

 

Während des Jugoslawien-Monats „Mehr als Tito und Ćevapčići“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Januar und Februar, fanden neben Vorträgen, Filmen und einer Exkursion eine Tagung zu „Roma, Ashkali und Ägypter in Ex-Jugoslawien“ statt. Mit 25 Teilnehmern aus acht verschiedenen Ländern und aus verschiedenen Städten Deutschlands wurde am 20. Januar 2010 die Konferenz „Roma, Ashkali und Ägypter in Ex-Jugoslawien“ im Alexander-von-Humboldt-Haus der Justus-Liebig-Universität Gießen eröffnet. Herr Koller wies in seiner Begrüßungsrede auf die Aktualität des Themas hin und betonte die sehr guten Rahmenbedingungen, die der Standort Gießen insbesondere durch sein Gießener Zentrum Östliches Europa für die Südosteuropa-Forschung bietet.

 

Neben Studierenden, Doktoranden und Professoren waren auch Repräsentanten von Ägypter- und Ashkali-Organisationen anwesend, die teils von weit her angereist waren, um engagiert über die Begrifflichkeiten Roma, RAE (Roma, Ashkali, Egyptians), Zigeuner und Balkan-Ägypter und die Schwierigkeit, in der Forschung nicht von einer ‚wahren’ Zugehörigkeit auszugehen, diskutierten. Auch der interdisziplinäre methodische Zugriff auf die Fragestellungen wurde diskutiert. Die ReferentInnen kamen zum größten Teil aus der Ethnologie/Anthropologie, aber auch aus der Soziologie und Geschichtswissenschaft.

 

Dr. Ger Duijzings (London) stellte in einem einleitenden Vortrag seine eigene Forschung zu Ägyptern im Kosovo vor. Wie auch die Roma, stellen sie eine marginale Gruppe dar, die ethnische Mimikry betreiben und eine fluide Identität aufweisen müsse, um zu überleben. Er wies auf Forschungslücken im dem Bereich hin, wie z.B. das jugoslawische System der ethnischen Quoten als Ursache für Mimikry, Manipulation von ethnischen Gruppen durch den Staat oder Segregation und Migration als Folge von Kriegen und Gewalt. Das Dissertationsprojekt von  Claudia Lichnofsky (Gießen) untersucht das Entstehen neuer ethnischer Identifizierungen in den 1990er Jahren und stellt es in den politischen Kontext des Kosovos, in dem in den letzten 20 Jahren die ethnische Dominanz mehrfach wechselte. Kleinere Minderheiten gerieten dadurch in eine Sandwich-Position, in denen sie mittels Identitätswechsels versuchten, sich der jeweils dominanten ethnischen Gruppe anzupassen. Sie zweifelte jedoch an, dass dieser Wechsel von der Umwelt akzeptiert wird.

 

Adam Balcer (Warschau) fokussierte auf regionsspezifische ethnische Zugehörigkeiten im Kosovo, die sich in der Moderne ausdifferenziert haben. Dafür wurde die von der Mehrheitsbevölkerung vollzogene Einteilung der ‚Zigeuner’-Bevölkerung in nomadische und sesshafte Gruppen (Arlije) verwendet. Aus letzterer seien die Ashkali entstanden, die verschiedene, auf dem Balkan zu findende, persische Elemente nutzen, um eine persische Herkunft zu behaupten. Dr. Rubin Zemon (Skopje) hingegen geht davon aus, dass  Ashkali eine Untergruppe der Ägypter seien und es zahlreiche ägyptische Funde gebe, die eine ägyptische Herkunft der Balkan-Ägypter beweise. Der Sammelbegriff „RAE“ für Roma, Ashkali und Ägypter sei ein rassistischer Begriff, da Ägypter und Ashkali keinerlei Verwandtschaft mit Roma aufwiesen, was mittels DNA-Analysen nachweisbar sei.

 

Dr. Ana Dević (Glasgow/Novi Sad) stellte ein beantragtes Forschungs-Projekt vor, das sich mit dem politischen Prozess der Identitäts-Gestaltung unter Roma-Migranten in der EU beschäftigen soll. Mittels visueller Ethnografie und soziologischer Analyse soll eine mögliche post-nationale Identität erforscht werden. Ihr Fokus liegt daher nicht auf dem Wechsel von ethnischer Zugehörigkeit und Identität in den Herkunftsregionen, sondern in den westlichen Migrationsdestinationen.

 

Vesna Delić (Podgorica) und Svetlana Ćirković (Belgrad) teilten die Ergebnisse ihrer Feldforschungen, die in Montenegro bzw. in Belgrader Slums realisiert wurden und die Diversität von Gruppen in den Blick nehmen, die in der ethnologischen Forschung Serbiens unter Roma subsumiert werden. Delić untersuchte den Identitäts-Wechsel von Kovači in Montenegro zu Ägyptern (auch Arli oder Ashkali genannt), die eine Beziehung zu den Roma leugnen. Andere Gruppen identifizieren sich als Muslime oder muslimische Roma. Als kulturelle Identifikatoren werden dabei Sprache, Herkunft, Religion, Ethnonyme, Ökonomie, materielle Kultur und Tradition verwendet. Ćirkovićs Studie zeigte, dass in Roma-Siedlungen – neben rumänischsprachigen Banjaši auch Ashkali-Familien wohnen. Neben schon längere Zeit ansässigen Ashkali, sind vor Allem Flüchtlinge aus dem Kosovo zu finden, die - wie die aus dem Kosovo geflohenen Roma - nicht registriert sind und daher oft in unhygienischen Siedlungen ohne Wasser und Strom leben.

 

Claudia Lichnofsky